Moderation | 31. März 2014

Warum Brainstorming nicht funktioniert

Neulich wieder im Meeting Ideen „gebrainstormt“?

Und sich danach produktiv gefühlt? Aller Wahrscheinlichkeit nach haben Sie gemeinsam nicht nur weniger, sondern auch schlechtere Ideen entwickelt, als wenn jeder für sich alleine gearbeitet hätte. Glauben Sie nicht? Die Schwäche der Braimstorming-Technik ist bereits solange wissenschaftlich bewiesen, wie es Brainstorming gibt – seit ca. 60 Jahren. 1948 entwickelte der Werber Alex Osborn die Methode in seinem Buch „Your Creative Power“. In vielen Studien haben Psychologen seitdem gezeigt, dass Gruppen per Brainstorming weniger und auch weniger gute Ideen produzieren als Menschen, die sich auf andere Art oder gar alleine Gedanken machen. Trotzdem hält sich die Technik im Handwerkskoffer aller Moderatoren. Woran liegt das Versagen der Technik? Warum halten wir daran fest? Und was sind die Alternativen?

Warum versagt Brainstorming?

Im Brainstormingprozess kann immer nur eine Person zur Zeit reden. Wir verbringen einen Großteil der Zeit damit, anderen zuzuhören, anstatt selber Ideen zu entwickeln. In dieser Zeit versuchen wir, unsere eigene Idee im Kopf zu behalten. Wir warten auf die Lücke, in der wir unseren Beitrag platzieren können. Dadurch haben wir kaum Aufmerksamkeit für die Ideen der Anderen.

Hinzu kommen Elemente wie schlechtere Arbeitsatmosphäre bei Gruppenarbeit (Lärm, Ablenkungen) sowie der Gruppendruck: die Angst, frei zu sprechen und die Unfähigkeit der Gruppe, sich gegenseitig zu kritisieren. Diese Faktoren tragen dazu bei, dass nicht die besten Ideen entstehen und meistens in der anschließenden Analyse kritische Punkte nicht gesehen oder angesprochen werden.

Warum hält sich Brainstorming trotzdem hartnäckig?

Wir schaffen etwas gemeinsam. Das ist ein positives und wichtiges Gruppen-Gefühl, das Brainstorming erfolgreich vermittelt. Zusätzlich wirkt ein psychologischer Effekt: Im Brainstorming entstehen viele Ideen, die wir direkt kommentieren. Es wird im Prozess unübersichtlich, wer eigentlich welche Idee hatte. Wenn wir das Brainstorming verlassen, haben wir deshalb immer ein bisschen das Gefühl, als hätten wir selbst viele gute Ideen gehabt – auch wenn das letzten Endes nicht der Fall war. Die gemeinsame Arbeit hinterlässt ein positives und produktives Gruppengefühl – was ja auch ein wichtiges Ziel sein kann. Nur sollten wir der Tatsache ins Auge sehen, dass es nicht die produktivste Methode ist, um mit einer Gruppe von Menschen viele möglichst tragfähige Ideen zu entwickeln.

Alternativen zum Gedankensturm

Ein wichtiges positives Element des Brainstormings ist die Anregung durch andere Ideen. Wir kann dieser Mehrwert erhalten bleiben, der Zeit- und Aufmerksamkeitsfaktor und der Gruppendruck aber ausgeschaltet werden? Im Zeitalter des Internets bieten sich dazu Online-Dokumente an, wo z.B. in tabellarischer Form gleichzeitig gearbeitet werden kann (hackpad, basecamp, googledocs, etc…) Weitere Spalten können der Analyse, Weiterentwicklung und Ergänzung der Vorschläge dienen. Dies kann auch offline geschehen, dann nennt sich die Methode „Brainwriting“ oder in tabellarischer Form Methode „635“.

Darüber hinaus kann eine Rollenaufteilung sinnvoll sein – wer entwickelt Ideen, wer spinnt Ihre Umsetzung fort, wer wählt aus? Dies können tatsächlich nach Kompetenzen ausgewählte Personen sein, aber auch unterschiedliche „Rollen-Hüte“, die wir uns in Phasen des Ideenentwicklungs- und Auswahlprozesses aufsetzen: Träumer, Realist, Kritiker, Held, Kunde, etc.. Letztere Methode ist nach ihrem Erfinder, Walt Disney, benannt. Mehrwert: Es werden Konflikte zwischen den Personen vermieden, da jeder eine klare Rolle hat. Die persönliche Ebene wird ausgeschaltet: Die Kritikerin kritisiert z.B., weil sie den Kritiker-Hut aufhat, nicht weil sie Person A nicht mag. Dies befreit alle Teilnehmenden und trägt dazu bei, dass vorhandene Potentiale optimal genutzt werden.

Mehr darüber lesen?

Neugierig geworden? Dann empfehle ich das spannende Buch von Susan Cain: Still. Die Kraft der Introvertierten, ISBN 3442157641 und den Artikel „Windstille im Kopf“ in der SZ vom 9. März 2012. Dort finden Sie auch Verweise auf die entsprechenden wissenschaftlichen Studien.