Coaching, Kommunikation | 23. Januar 2018

Innere Klarheit – Reflektion und Arbeitsansätze

Wenn wir scheitern, liegt das oft nicht an äußeren Umständen, sondern daran, wie wir in der Situation innerlich eingestellt waren. Was bedeutet im Kontext von Präsenz und Auftreten innere Klarheit? Es bedeutet Bewusstheit dafür, wer wir sind, was wir können, wer uns gegenüber sitzt und was wir in einer Situation erreichen wollen. Um diese Aspekte und die Coaching-Arbeit damit zu veranschaulichen, habe ich ein visuelles Modell aus drei übereinanderliegenden konzentrischen Kreisen entwickelt, ich nenne es die „3 Kreise der inneren Klarheit“.

Der innere Kreis symbolisiert die Persönlichkeit, das eigene Selbstwertgefühl. Der zweite Kreis bezeichnet die Inhalte, was sowohl Fach- als auch Methodenkompetenz bedeuten kann. Der dritte, äußerste Kreis bezeichnet die Adressaten, sei es die Teilnehmer eines Workshops, einer Vorlesung oder eines Meetings.

  1. Innerer Kreis: Selbstwert und Persönlichkeit
  2. Mittlerer Kreis: Fach- und Methodenkompetenz
  3. Äußerer Kreis: Angesprochene Personen

Welche Handlungsansätze bieten die verschiedenen Kreise?

1. Kreis: Selbstwert und Persönlichkeit

Unser Selbstwert basiert auf den Erfahrungen, die wir von unserer frühesten Kindheit an gemacht haben. Darauf haben wir unsere Wahrnehmung und unsere Urteile über uns selber aufgebaut – wer wir sind, was wir können und was nicht. Häufig sind neben positiven Selbstzuschreibungen auch viele negative Sätze tief eingebrannt, die wir uns mehr oder weniger bewusst immer wieder vorhalten bzw. so empfinden, z.B.: „Ich war noch nie gut im präsentieren. Ich bin zu dick. Ich bin nicht durchsetzungsstark, zu leise, zu klein, usw.“ Im besten Fall nehmen im Verlaufe des Lebens positive Erfahrungen immer mehr Raum ein und verdrängen die historischen, negativen Selbstzuschreibungen. Oft bleiben aber negative Stimmen sehr präsent. Einer meiner Lehrer hat diese Stimme „Radio Crazy“ genannt, ein immer spielender Radiosender mit negativen, verunsichernden Botschaften die vor allem dann aktiv werden, wenn wir uns herausfordernden Situationen gegenüber gestellt sehen. Das können Prüfungen, Pitches oder Konfliktgespräche aber auch Personen sein, die wir zum Beispiel als besonders kompetent, eloquent, einflussreich, cosmopolitisch, gebildet, schön, maskulin/feminin, etc. wahrnehmen.

In bezug auf Präsenz und Auftreten ist dies von großer Bedeutung: Denn sobald wir herausfordernden Situationen begegnen, wird Radio Crazy aktiv und sendet seine Negativbotschaften. Das verunsichert uns. So tragen diese Selbstzuschreibungen im Sinne einer „self-fulfilling prophecy“ eventuell dazu bei, dass die Selbstzuschreibung zumindest sehr viel wahrscheinlicher eintritt, als wenn wir dies gar nicht in Betracht gezogen hätten.

Die Arbeit am eigenen Selbstwert und an der eigenen Fähigkeit, mit inneren Stimmen zu verhandeln ist von allen drei Kreisen die schwierigste und langwierigste. Ansätze liegen zum Beispiel:

  • Im Training durch Embodiment und Visualisierung. Durch körperliche Bilder und gedankliche Vorstellungen werden eigene positive Ressourcen aktiviert.
  • Durch Achtsamkeitsübungen können wir unsere Fähigkeit stärken, innere Stimmen und Gefühle wahrzunehmen und als „auch“ präsent zu relativieren. Dadurch können wir erreichen, von Gefühlen nicht mehr überwältigt zu werden. Wir bleiben handlungsfähig.
  • Im Coaching wird durch bewusste Fokussierung von Ressourcen und Ausnahmen, durch Entwicklung einer gesunden Balance in unserem Leben Resilienz und innere Stärke gefördert.
  • In der therapeutischen Arbeit können wir schwierige Erlebnisse reflektieren. Dabei wird eventuell spürbar, dass Selbstzuschreibungen auf Erfahrungen beruhen, die weit zurückliegen. Sie haben mit der aktuellen Situation nichts zu tun, werden aber durch diese ausgelöst. Am Ende des Prozesses gelangen wir vielleicht zu einer liebevollen Annahme von Verletzungen und können diesen Teilen von uns selbst Sicherheit und Schutz geben.

2. Kreis: Fach- und Methodenkompetenz

Im Präsenztraining geht es um Begegnungen. Innere Klarheit in Bezug auf Fach- und Methodenkompetenz bedeutet in diesem Kontext, den Stand des Wissens und Könnens in einer Begegnung zu akzeptieren und sich die strategischen Ziele für diese Begegnung präsent machen. Was will ich erreichen? Wie möchte ich wahrgenommen werden? Was sind meine Kompetenzen, und was nicht?

Beziehung 1. Kreis Selbstwert und 2. Kreis Fachkompetenz

Anschaulich finde ich hier das Bild des Pokerns: „Ich muss mit der Hand spielen, die ich in dieser Runde bekommen habe.“ Es hilft weder, sich zu entschuldigen, („ich hatte keine Zeit mehr, das nachzuschlagen/diese Grafik zu zeichnen, mich da tiefer einzulesen, etc..“) noch gibt es die Möglichkeit, jetzt schnell noch ein anderes Blatt herzuzaubern. Die größte Möglichkeit auf Erfolg habe ich, wenn ich jetzt ganz zu mir und meinem Blatt stehe und das Beste daraus mache. Der Vorteil: Die anderen kennen mein Blatt nicht. Und darüber hinaus: Wir bewerten unsere Blätter immer weitaus schlechter, als andere das tun würden.

Aber dies bitte nicht missverstehen: Die Phasen vor und nach einer Begegnung sind grundverschieden und haben andere Ansprüche. Selbstverständlich muss ich mich gut vorbereiten. Und wenn es vorbei ist, schauen, was ich nächstes Mal besser machen kann. Nur in der Begegnung selber, da bitte nicht. Danke.

3. Kreis: Angesprochene Personen

Oft machen wir uns viel zu wenig Gedanken darüber, mit wem wir überhaupt reden, an wen sich unsere Botschaft adressiert. Wir sind mit uns selbst beschäftigt und wollen gut dastehen, durchkommen, überzeugen, gesehen und gehört werden. Wenig überraschend führt der erste Schritt dahin, eben nicht an uns zu denken, sondern an die anderen in Bezug zu uns und unserer Fachkompetenz. Je mehr ich verstehe, wer vor mir sitzt, desto mehr kann ich mich einfühlen. Ich kann auch direkt auf meine Teilnehmer und deren Lebenswelt Bezug nehmen – so spüren die Teilnehmer, dass ich sie kenne. Es können dabei sowohl tiefgreifende Bezüge zu Weltanschauungen und Werten, aber auch banale Aspekte sein wie ein gerade zu sich genommenes Mittagessen, ein bestimmter Arbeitskontext u.a. Wer mich (er-)kennt, dem vertraue ich. Und ganz nebenbei beruhigt es allgemein, wenn man selbst das Gefühl hat, mit denen, die da sitzen, schon ein wenig vertraut zu sein. Und diesen schönen Gewinn nicht dem Zufall zu überlassen, das ist wiederum eine aktive Aufgabe der Arbeit an innerer Klarheit.

Beziehung 2. und 3. Kreis: Fachkompetenz und Publikum

Ganz elementar im fachlichen Kontext: Nur wenn ich ein konkretes Bild davon habe, wer mit welchen Bedürfnissen vor mir sitzt kann ich innerlich davon überzeugt sein, ob und auf welche Art meine Botschaft für dieses Publikum relevant ist. Was haben die Zuhörer davon, mir zuzuhören bzw. an meiner Veranstaltung teilzunehmen? Was könne sie mitnehmen? Was ist der „Take-away“? Kenntnis der Relevanz des eigenen Themas ist nicht nur ein Zeichen von Respekt, sondern sie zwingt uns auch dazu, konkret zu werden: „Was will ich eigentlich erreichen, hier, mit diesem Thema, mit diesen Leuten?“ Diese Relevanz auch vermitteln zu können gibt uns nicht nur Respekt und Wertschätzung, sie ist auch die Grundlage für eine ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums.

Wer ist da vor uns? Was für Menschen sind das? Was ist ihr Hintergrund? Was ist ihr Vorwissen? Was haben sie gerade erlebt, was ist ihre momentane (berufliche) Situation? Welche Interessen könnten sie in Bezug auf das Thema haben?

Dieses Wissen der Relevanz des eigenen Beitrags muss aktiv erarbeitet werden. Im Vorfeld durch Abfragen und Gespräche. Vor der Veranstaltung im persönliches Begrüßen und durch Small Talk, im Rahmen der Veranstaltung durch Partizipation z.B. durch Erwartungsabfragen, Blitzlichter und andere Formen der Beteiligung.

Beziehung 1. und 3. Kreis:

Zwischen dem 1. und 3. Kreis spielen sich die vielleicht elementarsten Dynamiken ab: In welcher Situation sehe ich mich und die Gruppe? Viele Menschen, die sich von größeren Gruppen verunsichert fühlen, haben bewusst oder unbewusst ein bestimmtes Bild vor sich. Meistens befinden sie sich in einer Prüfung, konkreter gesagt: In einer der schlimmen Prüfungserfahrungen aus der Schul- oder Studienzeit. Leider ist dieses Bild nicht sehr förderlich. Der oder die zu Prüfende ist den Prüfer*innen ausgeliefert. Mangelnder Aktionsradius, mangelnde vitale Kräfte können hierfür ein Zeichen sein.

Was wäre ein förderlicheres Bild? Gute Erfahrungen machen Coachees mit dem Bild der Gastgeber*in. Wir stellen uns eine Begegnung so vor, als hätten wir eingeladen. Was aus diesem Bild folgt – am Beispiel einer Abendeinladung:

  • Ich habe selbstverständlich nur Gäste eingeladen, die ich interessant finde und/oder die mir sympathisch sind. Ich werde Sie also interessiert und/oder herzlich behandeln.
  • Die Gäste sind gekommen, es besteht also auch von der Gegenseite Interesse und/oder Sympathie, sie werden mir also interessiert und/oder herzlich begegnen.
  • Ich habe eingeladen, und meine Gäste sind wegen mir gekommen. Ich bin deshalb eine besonders wichtige Person in dieser Begegnung.

Dieses Bild unterstützt uns dabei, selber eine positive und stärkende Vorstellung der Beziehung zwischen uns und dem Gegenüber zu entwickeln. Im englischen Kontext spricht man von gutem „Hosting“. Selbst eine furchterregende Prüfung kann durch dieses innere Bild zu einem angeregten Gespräch werden.

Aber Visualisierungen wie diese sind nicht nur für die Beziehung zum Publikum relevant. Es ist sehr gewinnbringend, den gesamten Ablauf einer Veranstaltung einschließlich unseres Selbstbildes als Gastgeberin zu visualisieren.

Abschluss: Den kompletten Ablauf visualisieren

Wie kann das Konzept der Inneren Stärke in der Vorbereitung einer Veranstaltung genutzt werden? Gute Erfahrungen habe ich mit Visualisierungen des Ablaufs gemacht. Zu Beginn steht ein innerliches Durchspielen des Ablaufs und der Möglichkeiten, der Herausforderungen und Eventualitäten und unserer proaktiven Handlungsoptionen. Es folgt eine Betrachtung der drei Kreise innerer Stärke und ein Reflektions- bzw. Recherchephase. Zum Abschluss dieser Phase sollten wir soweit sein, für alle drei Kreise und deren Zwischenbeziehungen positive Wahrnehmungen aktivieren zu können. Darauf aufbauend entwickeln wir einen idealen, erfolgreichen Ablauf der Veranstaltung, der sowohl unsere Gefühle und Bedürfnisse als auch die unseres Publikums mit einbezieht. Diesen Ablauf gehen wir sowohl während der Vorbereitung als auch am Morgen der Veranstaltung gedanklich durch. Im Optimalfall wirkt dieser positive Ablauf wie ein innerer Kompass, der uns dabei unterstützt, nicht unsere Ziele aus den Augen zu verlieren und es uns schwerer macht, uns selbst zu sabotieren.

Tipp: Bauen Sie in den Ablauf viele Elemente ein, die als Problem/Störung auftreten könnten. Beschreiben Sie, wie Sie diese erfolgreich lösen. So machen Sie sich erstens bewusst, dass es nie so läuft wie geplant – und sind dann nicht sofort erschrocken – und Sie verbinden Sich mit Ihrer Kompetenz, Probleme zu lösen.

Ich freue mich über Rückmeldungen und Erfahrungsberichte. Und vor allem:

Viel Spaß beim Ausprobieren!

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